Von der Heilung zur Bildung: Das Orthopädische Krankenhaus Gersthof im Wandel

Bestandsobjekte bei einer Umwidmung wirtschaftlich zu adaptieren, ist im Brandschutz per se eine anspruchsvolle Aufgabe. Handelt es sich dabei um ein Gebäude wie das ehemalige Orthopädische Krankenhaus Gersthof in Wien, ein hundert Jahre altes, denkmalgeschütztes Spital, das nach einer Bestands- und Funktionssanierung als vollwertiger Schulstandort fungieren soll, wird die Frage „Erhalten oder erneuern?“ zum ständigen Balanceakt.

Das architektonische Kleinod im 18. Wiener Gemeindebezirk, in den Jahren 1924–1926 errichtet und im Lauf seiner Geschichte Sitz verschiedener medizinischer Einrichtungen – von der Entbindungsanstalt bis zum Militärspital – ist im Stil der Spätsecession, des Expressionismus und Art Déco gestaltet. Es steht unter Denkmalschutz. Eine grundlegende Sanierung wird den historischen Bestand an die Anforderungen einer zeitgemäßen Bildungseinrichtung für die Sekundarstufen I und II heranführen. Neben dem Hauptgebäude mit mehr als zwanzig Stammklassen entsteht im ehemaligen Verwaltungsgebäude ein Haus der Naturwissenschaften. Zwei neu errichtete Sportpavillons runden das pädagogische Angebot ab. Nach der Fertigstellung soll auf dem Gelände zunächst das BG18 Klostergasse ein Ausweichquartier finden, danach ist ein permanenter Schulbetrieb geplant.

Der Konsens entfällt
Wir erhielten den Auftrag, für die Umnutzung des früheren Krankenhauses den Brandschutz neu zu konzipieren. Gleiches galt für das alte Verwaltungsgebäude, in dem künftig naturwissenschaftliche Fächer unterrichtet und Laborversuche stattfinden werden. „Unabhängig vom Bauvorhaben ist unsere Aufgabe die Erfüllung der gesetzlichen Schutzziele im Brandschutz. Bei Projekten wie diesen ändert sich allerdings die Planungsgrundlage, da durch die Umwidmung der baurechtliche Konsens nicht mehr besteht“, erklärt Projektleiter Christian Palme. „Das bedeutet, dass auf Basis der aktuellen Gesetze, Normen und Regelwerke der Stand der Technik herzustellen ist.“

Neu und alt kombinieren
Aus diesem Grund zielt unser Brandschutzkonzept darauf ab, den Bestand so weit wie möglich in die Neuplanung zu integrieren. So wird es möglich, die Schutzziele zu erfüllen, ohne für jeden einzelnen Bauteil einen brandschutztechnischen Nachweis nach aktuellen Richtlinien vorzulegen. „Dafür können wir die Bauteile nach älteren Regelwerken oder nach erprobten Anwendungen bewerten. Eine weitere Vorgehensweise ist es, die zu erwartende Beanspruchung der Bauteile zu beurteilen, die sich durch die neue Nutzung an der jeweiligen Stelle im Gebäude ergibt“, so Palme.

Konkret werden Bestandsbauteile, etwa Geschoßdecken, durch zusätzliche Brandschutzverkleidungen von der Unterseite geschützt – das dient auch der geschoßweisen Brandabschnittsbildung. Während eines der zwei bestehenden Treppenhäuser abgebrochen und durch ein neues mit größeren Durchgangsbreiten ersetzt wird, kann das andere durch baulichen Maßnahmen gegen den Brandüberschlag, die Neuherstellung aller Treppenhauszugänge und die Installation einer Brandmeldeanlage unverändert erhalten bleiben. Die Brandmeldeanlage wird im Schutzumfang „Vollschutz“ ausgeführt und sorgt für eine flächendeckende Überwachung aller Räume – dazu zählen auch neu gestaltete, multifunktionale Pausenbereiche, die eine schwerbrennbare Möblierung erhalten. Während die Sicherheit von mobilitätseingeschränkten Personen bei der Errichtung in den 1920er-Jahren nicht geregelt war, sind dafür heute strenge Vorgaben einzuhalten. Umgesetzt werden diese durch sichere Verweilplätze in den Treppenhäusern: Durch einen Nottaster können betroffene Personen ihren Aufenthaltsort für die Feuerwehr sichtbar machen.

Klassenzimmer mit Extras
Eine Besonderheit der neuen Schule: Die Garderobenflächen werden in die Stammklassen integriert, wodurch Unterrichtsräume mit einer Größe von bis zu 80 m² entstehen. Für die Brandschutzplanung bedeutet diese Raumkonstellation allerdings eine Abweichung von den Richtlinien, da diese für die Unterbringung von Kleidung eigene Räume vorsehen. Um die Schutzziele gleichwertig zu erfüllen, sieht das Brandschutzkonzept nicht nur geschlossene Garderoben in Form von Spinden vor, sondern für jeden dieser Klassenräume zwei separate Zu- bzw. Ausgänge.


ZUM PROJEKT

Auftraggeber
Franz und Sue ZT GmbH

BGF
9.180 m²

Leistungsumfang

  • Einreich- und Ausführungsplanung für die Umnutzung des Haupt- und Verwaltungsgebäudes sowie den Neubau von zwei Sportpavillons
  • Objektüberwachung
  • Erstellung von Brandschutzplänen