15 Aug 2023 Der Wasserkanal als Brandschutzschneise
Seit über fünfzig Jahren bietet das Seebad Breitenbrunn im Burgenland naturnahe Erholung inmitten des Welterberaums Fertö-Neusiedler See. Ein internationaler Wettbewerb markierte 2016 den Startpunkt für die Modernisierung des Seebads, die seitdem in Etappen realisiert wird. Uns kam dabei eine bis dato einzigartige Aufgabe zu: die Schaffung von Brandschutzschneisen im Schilfgürtel. Diese wirken bei einem Schilfbrand dem Übergreifen des Feuers auf das Seebadareal entgegen, während sie im umgekehrten Fall das Naturgebiet Schilf schützen. Unmittelbar nach ihrer Fertigstellung mussten die Brandschutzschneisen im März 2023 bei einem Schilfbrand auch schon ihre Feuerprobe bestehen.
Schon die Herangehensweise an das Projekt stellte planerisches Neuland dar: „Üblicherweise soll ein Gebäude bewilligt werden und wir konzipieren dafür die Brandschutzmaßnahmen. In diesem Fall war aber zunächst die Brandschutzmaßnahme selbst zu bewilligen“, erklärt Projektleiterin Nadja Kroj. So bestehen rund um das Seebad Breitenbrunn Wasserkanäle, die bisher als Abstandsflächen zwischen den Nutzungen des Seebades und dem Schilfgürtel von der Gemeinde von Schilfwuchs und Schlamm freigehalten wurden. Da der Schilfgürtel naturrechtlich geschützt ist, war dies stets separat zu bewilligen. Uns oblag es, ein Einreichprojekt zu ermöglichen, das diese Wasserkanäle zum Bestandteil eines Brandschutzkonzeptes macht, wodurch deren Freihaltung rechtlich dauerhaft abgesichert ist. „Dafür mussten wir die Brandschutzschneisen als wirksame Maßnahme argumentieren, nach dem Motto ‚So viel wie nötig, so wenig wie möglich‘ aber auch dem Naturschutz gerecht werden“, erklärt Kroj.
Ertüchtigung am See
Den Neusiedler See umgibt eine rund 180 Quadratkilometer große Schilfwildnis, die immer wieder Schauplatz von Brandereignissen wird. Gerade in Trockenperioden können sich Schilfbrände rasch ausbreiten, weshalb sie von der Feuerwehr nur mit hohem Einsatz zu bewältigen sind. Um das Seebad Breitenbrunn vor einem Brand im angrenzenden Schilf zu schützen, wurden die Wasserkanäle zwischen Seebadgelände und Schilfgürtel mit einer brandschutztechnischen Funktion neu definiert. Dafür musste zu Beginn festgelegt werden, welche Breite für die Wasserkanäle notwendig ist: „Dabei ging es allerdings nicht darum eine Brandübertragung durch Funkenflug generell zu verhindern. Das ist auch gar nicht möglich, denn bei starkem Wind können Funken hunderte Meter weit getragen werden“, so Kroj. Vielmehr sollten die Brandschutzschneisen einem direkten Weiterbrand entgegenwirken.
Nach Abstimmungen mit der Naturschutz- und Wasserrechtsbehörde sowie der Feuerwehr wurde die Breite der Wasserkanäle mit zehn Metern definiert. Einige Teilstücke kamen hinzu, um eine durchgehende Barriere zu schaffen. Um diese im Brandfall zu halten, wurde die Zone um die Brandschutzschneisen als Aktionsbereich für die Feuerwehr erschlossen: Indem dieser von Schilfbewuchs freigehalten wird, ist die Zone zwischen Schilfgürtel und Seebad besser zugänglich und brandlastreduziert. Bei einem Schilfbrand sind die Einsatzkräfte der Feuerwehr so auch besser geschützt. „Das Vorhaben, die Wasserkanäle im Zuge eines Brandschutzkonzeptes neu zu definieren, konnte mit Hoyer Brandschutz als verantwortungsbewusstem Projektpartner reibungslos zur Umsetzung gebracht werden“, freute sich Jürgen Narath, Gesamtleiter Immobilienbereich der Esterhazy Betriebe.
Löschen in Riegelstellung
Aufgrund der Dimensionen vieler Schilfbrände war die Abstimmung des Feuerwehrangriffs entscheidend. Im Fokus stand die für den Naturschutz zumutbare Erschließung weiterer Bereiche, um neue Pumpenstandplätze zu schaffen. Diese sollten der Feuerwehr eine Einsatztaktik ermöglichen, die für Brandereignisse dieser Art besonders geeignet ist: die sogenannte Riegelstellung. Dabei verteilen sich die Einsatzkräfte entlang einer Linie, um diese möglichst zusammenhängend abzudecken. Wir stimmten die Positionen für den Löschangriff mit der Feuerwehr ab, berechneten die Anzahl der nötigen Pumpenstandplätze und konzipierten die Wasserversorgung über mehrere Entnahmestellen. Nach der Genehmigung durch den Naturschutz konnten neue Pumpenaufstellflächen auf Stegen in das Brandschutzkonzept integriert werden, das auch die Erweiterung bestehender Flächen vorsah, sodass pro Steg zwei Pumpen aufgestellt werden können. Dadurch können die Einsatzkräfte nicht nur gezielt auf dem gegenüberliegenden Ufer löschen, sondern auch im Seebad Vegetation und Gebäude mit Wasser benetzen, um die Brandgefahr durch Funkenflug einzudämmen.
Feuer im Schilf: Bewährungsprobe für die Brandschutzschneisen
Die Modernisierung des Seebads Breitenbrunn wird seit 2019 in abgestimmten Bauphasen realisiert. Diese machen eine Nutzung über den Sommer möglich und nehmen Rücksicht auf die Natur, indem etwa geräuschintensive Arbeiten an die Vogelbrutzeit angepasst werden. Der Startschuss für die neuen Brandschutzschneisen fiel im Winter 2021, Anfang 2023 waren diese fertiggestellt. Nur wenige Tage später, am 1. März 2023, mussten sie ihre Wirksamkeit bereits unter Beweis stellen, als im sechs Kilometer entfernten Winden am See eine Erntemaschine Feuer fing und einen Schilfbrand auslöste. Über zwanzig Feuerwehren und mehrere Löschhubschrauber waren im Einsatz, um diesen unter Kontrolle zu bringen. Das schwer zugängliche Gebiet und ständig drehender Wind stellten die Einsatzkräfte auf die Probe. Es dauerte fast 24 Stunden, bis „Brand aus“ gegeben werden konnte.
Aufklärungsflüge mit Drohnen zeigten, dass sich das Feuer im Lauf des Tages gefährlich nah auf das Seebad zubewegte. Dass dieses verschont blieb, ist dem gut koordinierten Feuerwehreinsatz zu verdanken – unterstützt wurde dieser durch die neu gesetzten Brandschutzmaßnahmen: „Das Sicherheitskonzept mit schilffreien Brandschutzschneisen war ein wesentlicher Faktor für das Löschen des Brandes“, so Ortsfeuerwehrkommandant Markus Tobler von der FF Breitenbrunn. „In Verbindung mit der getroffenen Riegelstellung konnten wir eine noch größere Katastrophe verhindern.“
Ein 200 ha großer Schilfbrand im März 2023 rückte gefährlich nahe an das Seebad Breitenbrunn heran. Ein Übergreifen des Feuers konnte von den Einsatzkräften auch dank neu geschaffener Brandschutzschneisen zwischen Seebadareal und Schilfgürtel erfolgreich abgewehrt werden.