
04 Dez. 2024 „BIM ist bei Löschanlagen oft noch eine Kosten-Nutzen-Frage.“
Du befasst dich seit Jahren intensiv mit BIM und beobachtest die Entwicklung in der Branche. Wo steht BIM derzeit in der Welt der Löschanlagenplanung?
Pazderka: Die Anzahl der BIM-Projekte ist in den letzten Jahren stark gestiegen. Wobei man sagen muss: BIM ist nicht gleich BIM. Nicht jedes sogenannte BIM-Projekt ist wirklich so aufgebaut, dass im 3D-Modell alle Informationen eingearbeitet sind, damit es im Betrieb weiterverwendet werden kann und das Facility Management sämtliche Datenblätter, Dokumentationen und Wartungszyklen vorfindet. Für BIM auf diesem Level sehe ich noch große Hürden und das liegt nicht immer am fehlenden Know-how oder an mangelnder Erfahrung, sondern es ist oft eine Kosten-Nutzen-Frage. Viele Bauherren tasten sich aber Schritt für Schritt heran, etwa mit BIM-light-Projekten. Hier entsteht nicht der Aufwand eines kompletten BIM-Projekts, aber es findet der Umstieg auf ein 3D-Koordinationsmodell statt und man kann eine abgespeckte Version der 3D-Bestandsdokumentation für den Betrieb weiternutzen.
Was genau fehlt von BIM-light zu gesamthaftem BIM?
Pazderka: Hier spielt der Bauherr aus meiner Sicht die entscheidende Rolle, da in der BIM- bzw. 3D- Planung das fertige Gebäude quasi schon im Entwurf in einer hohen Detailschärfe abgebildet wird. Somit muss sich der Bauherr praktisch schon vor der Entwurfsplanung darüber bewusst sein, wie sein Bauvorhaben aussehen soll. Denn nachträgliche Änderungen sind in der BIM/3D-Modellierung aufgrund der vielen Verknüpfungen meist sehr zeitaufwändig. Der Bauherr muss auch für sich definieren: Was will ich? Was brauche ich? Anhand dieser Entscheidungen wird festgelegt, wie das BIM-Modell aufzubauen ist, welche Parameter benötigt werden, in welcher Qualität die Parameter den einzelnen Bauteilen zugewiesen werden oder welche Ausnahmen erlaubt sind. Man kann im Modell Informationen in verschiedenen Detaillierungsgraden und Tiefen angeben bis hin zu konkreten Normen oder Herstellerangaben für jedes Bauteil, aber oft ist das gar nicht notwendig oder sinnvoll.
Das Modell sollte also nicht mit zu vielen Informationen überfrachtet werden?
Pazderka: Es gilt Qualität vor Quantität und das Prinzip der Zweckmäßigkeit. Für die Errichtung einer Löschanlage sind Art und Menge der Rohre ausschlaggebend, Information über die Rohrleitung selbst aber nicht. Das Facility Management braucht Informationen zu ausgewählten Wartungsbauteilen, aber nicht zu Kupplungen oder anderen wartungsfreien Komponenten.
Du siehst also in erster Linie den Bauherren in der Verantwortung, um BIM-Projekte optimal aufzusetzen. Welche Rolle spielt die ausführende Seite?
Pazderka: Auch da sind längst nicht alle Fragen geklärt, zum Beispiel bei Ausschreibungen. Hier gibt es bei der Wahl der Produkte immer einen Spielraum. Der Kunde übermittelt zwar seine Wünsche und Vorstellungen, aber die Auswahl der Produkte liegt meist bei den ausführenden Firmen. Und dann stellt sich die Frage: Wann, von wem und wie detailliert kommen die Produktinformationen ins Modell? Stelle ich den Sprinklerkopf des einen Herstellers dar, der einen Zentimeter kürzer ist, oder einen anderen, gleichwertigen Sprinkler? Aus diesem Grund arbeiten wir oft mit Platzhaltern, die für das jeweilige Bauteil repräsentativ sind, und passen die Modelldateien später an. Sehr angenehm ist es bei einem Krankenhaus-Großprojekt, an dem wir aktuell arbeiten. Hier steht die Montagefirma schon fest und hat dem Bauherren alle Modelle zur Verfügung gestellt. Wir können also exakt mit den Bauteilen modellieren, die auch tatsächlich verbaut werden. Das ist aber nicht der Regelfall.
Wie beurteilst du die Zusammenarbeit generell, Stichwort Schnittstellen?
Pazderka: Hier knirscht es nach wie vor und das ist auch der Grund, warum sich in der Praxis immer wieder verschiedene BIM-Konstrukte wie BIM-light, little-BIM oder Ähnliches herausbilden. Das softwareunabhängige Arbeiten und der Austausch über eine zentrale Schnittstelle sind noch nicht zu hundert Prozent ausgereift.
Welche Hauptprobleme siehst du beim Datenaustausch?
Pazderka: Das betrifft die simple Frage, wie Daten exportiert werden und ob sie in anderen Programmen richtig angezeigt werden und bearbeitbar sind. Nur weil die 3D-Modellierungssoftware eines Stahlproduzenten dessen Anlagen darstellen und in IFC exportieren kann, heißt das nicht, dass ich es in meinem Programm weiterbearbeiten kann. Oft sind Features für den Export nicht optimiert.
Arbeitet es sich in Closed BIM also besser?
Pazderka: Open BIM kann bei kleineren Projekten, wo die Datenmenge und Komplexität gering ist, durchaus funktionieren. Aus unserer Erfahrung kann ich aber sagen: Je größer das Projekt, desto wahrscheinlicher wird mit Closed BIM gearbeitet und die Zusammenarbeit profitiert davon, wenn man sich auf gewisse Programme einigt. Die Informationen können genau so ein- und ausgelesen werden, wie es jedes Gewerk braucht. Darüber hinaus muss man sich ab gewissen Projektdimensionen auch überlegen, wie und wo Modelle von Gewerken getrennt werden, da viele Programme schnell an ihre Grenzen stoßen, wenn ich zum Beispiel in einer Modelldatei ein ganzes Hochhaus darstellen muss.
BIM ist gekommen, um zu bleiben. Für Planungs- und Montageunternehmen heißt das, dass sie sich Wissen aneignen und etablierte Prozesse überdenken müssen. Wie ist da der Status Quo?
Pazderka: Für uns Planer wie auch für die Ausführenden ist BIM natürlich mit Aufwand und Investitionen verbunden. Nicht immer wird in Projekten Closed BIM angewendet, das bedeutet, dass man sich unter Umständen mit einer Vielzahl an Programmen beschäftigen muss. Manche sind dazu bereit, manche sträuben sich noch oder greifen lieber auf externe Expert/innen zurück, weil sie sich BIM noch nicht zutrauen. In größeren Projekten sehe ich aber beispielsweise die Tendenz, dass die Pflege des 3D-Modells von den Ausführenden wieder zurück zum Planungsteam des Bauherren wandert. Das ist auch sinnvoll, da man sich intensiv mit einem 3D-Modell befassen muss, um zu verstehen, wie es aufgebaut ist, welche Voreinstellungen es gibt, welche Parameter wichtig sind. Das wissen die Leute am besten, die das Modell erstellt haben, aber für eine ausführende Firma ist es sehr schwer, da vollinhaltlich einzusteigen und selbst am Modell zu arbeiten. Die Vorteile in der Koordination und Abstimmung stehen aber für alle Beteiligten außer Frage. Gerade bei komplexeren Gebäuden werden Fragen schon in einem frühen Stadium geklärt. Das reduziert Missverständnisse auf der Baustelle.
Apropos Wissensaufbau: Wie weit hat man sich BIM bei Hoyer Brandschutz angeeignet?
Pazderka: Wir haben 2018 mit den ersten BIM-Projekten begonnen. Da wir als Fachplaner agieren und bei Bauvorhaben oft schon frühzeitig und in verschiedenen Planungstiefen mitwirken, haben wir inzwischen eine Vielzahl an Lösungen am Markt kennengelernt. Bei kleineren Projekten oder Projekten auf Open BIM-Basis konnten wir verschiedene Wege ausprobieren und experimentieren. Dadurch haben wir uns im Lauf der Jahre einen Wissensvorsprung verschafft, weil wir auch dann rasch zu gangbaren Umsetzungen finden, wenn etwas nicht auf Anhieb funktioniert. Dafür können wir auch auf unser Netzwerk zurückgreifen und dort Lösungsmöglichkeiten diskutieren.
Wo siehst du bei der Löschanlagenplanung mit BIM derzeit die größten Herausforderungen?
Pazderka: Eine Schwierigkeit ist nach wie vor, dass die Hersteller für die gängigsten Anlagenteile zwar 3D-Modelle haben, die wir in BIM verwenden können. Aber Bauteile, die selten verbaut werden oder sehr speziell sind, werden oft ignoriert. Hier gibt es offenbar keinen Anreiz Modelle bereitzustellen.
Baut ihr euch diese Modelldateien dann selbst?
Pazderka: Wenn wir nicht mit Platzhaltern arbeiten können, ja. Das ist zwar ein Mehraufwand, aber auch von diesem Know-how haben wir schon profitiert. Einer unserer Kunden aus dem Energiesektor wollte in seinen 3D-Modellen Parameter wie Spannungs- und Sicherheitsabstände schon sehr früh festlegen, hatte aber von manchen Anlagenteilen nur 2D-Zeichnungen. Wir haben diese Anlagenteile in 3D vereinfacht dargestellt. So konnte der Kunde die für ihn wichtigen Parameter im Modell prüfen.
Ist bei BIM im Löschanlagenbereich vieles Marke Eigenbau?
Pazderka: Selten verwendete Bauteile oder spezielle Lösungen modellieren wir selbst, grundsätzlich haben die Hersteller aber natürlich ein Interesse für ihre Produkte Modelle zu entwickeln. Ich kann also – in der Theorie – von verschiedenen Herstellern Bauteile als 3D-Modelle einspielen. So habe ich nach dem Baukastenprinzip die wichtigsten Bauteile mit realistischen Abmessungen fertig für den Einsatz in der Planung. In der Praxis arbeitet man bei einem Bauvorhaben aber oft mit verschiedenen Herstellern und nirgendwo ist festgeschrieben, wie man die Bauteile aufbaut, damit sie mit den Produkten anderer Hersteller kommunizieren. Hier blicken wir aber auch schon auf einige Jahre Erfahrung zurück und haben uns robuste Familien aufgebaut, die miteinander funktionieren.
Was waren eure größten Learnings in BIM-Projekten?
Pazderka: Wir haben gelernt mit einer gewissen Selbstsicherheit aufzutreten, auch dem Kunden gegenüber. Da geht es vor allem um die Frage: Wie genau brauchst du es? Eine Software, die jeden Sprinklerkopf, jedes Rohr und jede Kupplung exakt abbildet, verleitet dazu, alles schon von Beginn an detailgetreu betrachten zu wollen. Früher haben wir sehr viel Zeit investiert, obwohl sich später ohnehin noch viele Änderungen ergeben haben. Jetzt sind wir soweit, dass wir dem Kunden ein kollisionsfreies Modell zusichern, aber eben erst zu einem Zeitpunkt X.
Änderungen sind also ein großes Thema – wohl auch in puncto Wirtschaftlichkeit?
Pazderka: Details zu ändern, ist in unserem Gewerk meistens sehr aufwendig, da wir zum Beispiel mit einer Sprinkleranlage flächendeckend im Gebäude vertreten sind. Ändert sich nur ein Wandhydrantenkasten, weil eine Wand verschoben wird, kann es sein, dass zwanzig Sprinkler angepasst werden müssen. Sind einige davon speziell angebunden, müssen wir auch jede Anbindung nochmal kontrollieren und prüfen, ob das Sprühbild der Sprinkler irgendwo beeinträchtigt ist. Also ja, Änderungen spielen eine wichtige Rolle, weil sie gerade in einem späteren Planungsstudium sehr große Auswirkungen haben können.
Wo und wie kommt BIM in euren Projekten zu Einsatz?
Pazderka: Da sind natürlich in erster Linie jene Projekte, die auf BIM-Basis geplant werden. Es gibt aber auch Bauherren, die BIM in kleineren Anwendungsbereichen einsetzen, weil sie Erfahrung damit sammeln wollen. Einer unserer Kunden setzt BIM ein, um in seinen Gebäuden die Bestandssituation und Löschanlagen zu erfassen. Das Ziel sind dabei digitale Zwillinge in verschiedenen Detailtiefen, die dann auch für Neubauten wichtige Informationen liefern. Oft setzen wir in Projekten nur einzelne, ausgewählte Tools aus dem großen BIM-Werkzeugkasten ein, etwa die 3D-Koordination.
Es kommen also BIM-Werkzeuge auch außerhalb von BIM-Projekten zum Einsatz?
Pazderka: Es sind durch BIM viele Tools entstanden, die im täglichen Planen sehr nützlich sind. Das Modellieren in der BIM-fähigen 3D-Software hat bei vielen Projekten Vorteile, oder die Fähigkeiten der Software zur BIM-Koordination. Wir haben auch festgestellt, dass wir mit einer Software Punktwolken verarbeiten können – das war schon ein gewisser Aha-Moment, weil es wirklich sehr gut funktioniert. Wir sind jetzt nicht mehr nur auf 2D-Pläne und Fotos angewiesen, sondern können in einer einfachen Oberfläche Bildmaterial in 360 Grad verorten und punktgenau darauf zurückgreifen.

Oft werden statt 3D-Bildern auch 3D-Scans erstellt, aus denen wiederum echte Bestandsmodelle gebaut werden können. Das ist bei älteren Gebäuden hilfreich, wo die Dokumentation lückenhaft ist. Mithilfe der Scans können wir prüfen, ob die vorhandenen Löschanlagen mit den Bestandsplänen übereinstimmen. Legt man die Pläne und Scans übereinander, werden Abweichungen sofort sichtbar. So kommen wir schnell zu exakten Bestandsplänen, auf die wir unsere Planung aufsetzen können.
Zum Abschluss die Frage nach dem Ausblick: Wo setzt ihr in nächster Zeit den Fokus?
Pazderka: Die größte Herausforderung in der Löschanlagenplanung wird auch in naher Zukunft darin bestehen, die nötigen Vorlagen und Familien parat zu haben. Wir entwickeln uns mit jedem Projekt weiter, aber hier liegt definitiv der Schlüssel für die effektive Umsetzung von BIM-Projekten.
Vielen Dank für das Gespräch!