Leistungsumfang
Wie zwanglos sich ein innovatives Gebäude in eine Kulturlandschaft einfügen kann, zeigt das Bio-Weingut Gruber Röschitz im nördlichen Weinviertel. Hier wird auf einer Fläche von rund 3.800 m² Wein nicht nur produziert, sondern in allen Facetten erlebbar gemacht. Die Dimension des Neubaus fällt dabei kaum auf: Teilweise in den Hang oder unterirdisch errichtet, mit Satteldach und in Holzbauweise wird dieser zum organischen Bestandteil seiner Umgebung und stellt bewusst eine Verbindung zwischen Hightech-Weinproduktion und Weinviertler Kellergassenkultur her. Eine Dualität, die aufgeht, und bis in die Brandschutzplanung reicht: von den Brandabschnitten über den Feuerwehrangriff bis zur Anlagentechnik.
Im März 2024 wurde der neue Standort des biologisch bewirtschafteten Weinguts Gruber Röschitz eröffnet. Das neu errichtete Gebäude beherbergt im oberirdischen Geschoß Verkostungsbereiche sowie eine Verkaufsstätte und Büros. Im Untergeschoß wird Wein produziert und gelagert. So weit, so übersichtlich – doch die Einstufung des Gebäudes im Brandschutz war speziell: Während unterirdisch die OIB-Richtlinie 2.1. für „Brandschutz bei Betriebsbauten“ gilt, wurden die oberirdischen Bereiche, in denen sich bei Veranstaltungen auch regelmäßig ortsunkundige Besucher/innen aufhalten, nach der OIB-Richtlinie 2 „Brandschutz“ beurteilt.
Getrennt und doch vereint
Gezielt zweigleisig ist auch die Brandabschnittsbildung angelegt, die eine Trennung zwischen Ober- und Untergeschoß zieht – mit einer Herausforderung dazwischen: der Panoramastiege. Sie gibt beidseitig den Blick in die Produktion frei, war ursprünglich aber nur als interne Erschließungstreppe ohne brandschutztechnische Funktion konzipiert. Um sowohl den gewünschten Durchblick als auch die Brandabschnittsbildung zu gewährleisten, wurde die Treppe mit Brandschutzverglasungen in den Wandbauteilen und einem erhöhten Feuerwiderstand ausgestattet. „Das Gebäude basiert auf einem sehr durchdachten Konzept, das unterschiedliche Nutzungen räumlich klar verortet. Diese Klarheit galt es auch im Brandschutz abzubilden“, erklärt Projektleiterin Simone Schwaiger-Ruess.
Der Weinberg als Planungsvorteil
Die harmonische Integration des Neubaus in die Umgebung stand für die Bauherr/innen im Fokus. So haben die Geschwister Maria Wegscheider sowie Christian und Ewald Gruber mit fachlicher Unterstützung von Architects Collective ein Gebäude konzipiert, das zum größten Teil unterirdisch liegt. Für den vorbeugenden Brandschutzplanung bedeutet das oft zusätzliche Maßnahmen – hier profitierte die Planung aber von einer Besonderheit: Das Gelände fällt von Norden nach Süden hin ab, wodurch das Untergeschoß ebenerdig zufahrbar ist. Durch die Hanglage wird im Brandfall nicht nur der Zugang für die Feuerwehr erheblich erleichtert, sondern auch das Einbringen von Zuluft.
Hightech-Betrieb setzt auf Lowtech im Brandschutz
Am Weingut Gruber Röschitz wird Wein nach dem neuestem Stand der Technik hergestellt, dafür sorgt etwa Österreichs modernste Traubenübernahme. Die innovative Produktionsanlage gibt es in dieser Art bisher nur zwei Mal weltweit. Während bei der Weinerzeugung das technische Höchstmaß angestrebt wurde, war bei den Brandschutzanlagen das Gegenteil gefragt. „So wenig Technik wie möglich“ lautetet das Ziel für die Betriebsbereiche, aber auch für die mit Holz und Lehm gestalteten Präsentationsräume, die ihren natürlichen Charakter behalten sollten.
Nach Beurteilung der Brandlasten sowie der Optionen für die Rauchableitung oder den Zugriff der Feuerwehr wurde in Abstimmung mit der Brandverhütungsstelle NÖ ein Brandschutzkonzept erstellt, das diesem Anspruch gerecht wurde. So hat das Weingut keine flächendeckende Brandmeldeanlage, lediglich Teilbereiche sind mit vernetzten oder unvernetzten Rauchwarnmeldern ausgestattet. Im Untergeschoß konnte von einer Wandhydrantenanlage abgesehen werden, da das Lagergut – Glasflaschen, Wein in Edelstahltanks oder Eichenfässer – nur eine sehr geringe Brandlast darstellt. Stattdessen kam eine einfachere, aber ebenso effektive Maßnahme zum Einsatz: eine trockene Löschwasseranlage. Sie unterstützt den Einsatz der Feuerwehr auch in Bereichen mit einer größeren Angriffstiefe, da Löschwasser direkt über die Rohrleitung entnommen werden kann. „Aufgrund der niedrigen Brandlasten und der Hanglage, die eine Brandbekämpfung im Untergeschoß begünstigt, konnten wir in mehreren Punkten von den Richtlinien abweichen – und die Schutzziele mit alternativen Lösungen nachweisen, die nur ein Mindestmaß an Anlagentechnik erfordern“, so Schwaiger-Ruess.
Feinjustierung im Sinne der Optik
Neben der Genehmigungsplanung waren wir auch in der Ausführung im Einsatz, um die plangemäße Realisierung des Projekts zu unterstützen. Neben Abstimmungen zum Einsatz von nachhaltigen Baumaterialien aus Sicht des Brandschutzes gab es auch in puncto Ästhetik einen intensiven Austausch mit den Bauherr/innen und der Architektur. Dies betraf etwa die auskragenden Dächer der beiden Gebäudeteile für Verkostung und Produktion, die unterirdisch verbunden sind, oberirdisch aber separate Einheiten darstellen. Durch die Auskragung wurde der Schutzabstand zwischen den Gebäuden unterschritten – ein kleines, aber entscheidendes Detail, das eine fundierte brandschutztechnische Beurteilung erforderte. „Letztlich konnten wir mit unserer Argumentation die Behörde überzeugen und grünes Licht für die Dachgestaltung geben“, freut sich Schwaiger-Ruess.
2021–2024, Röschitz
Architects Collective ZT-GmbH
Betriebsanlage, Veranstaltungsbereiche
3.800 m²