Leistungsumfang
Seit Anfang 2014 wird im neuen Bundesverwaltungsgericht in Wien-Erdberg Recht gesprochen. Davor erfolgte die Generalsanierung des aus den 1980er Jahren stammenden, ehemaligen Finanzamts. In den Händen von Hoyer Brandschutz lag es das Gerichtsgebäude auch in puncto Brandschutz auf den letzten Stand der Technik zu bringen.
Abweichungen von den Schutzzielen
Nach einer Sanierungsphase von nur 14 Monaten beherbergt das neue Bundesverwaltungsgericht 32 Verhandlungssäle, 56 Besprechungsbereiche sowie 239 Büros für rund 450 Mitarbeiter/innen. Die Herausforderung in der präventiven Brandschutzplanung lagen in den baulichen Gegebenheiten des Gebäudes. Diese ließen die Einhaltung der in der Bauordnung geforderten Schutzziele nicht zu. So hatten die im Gerichtsgebäude vorhandenen Fluchtstiegenhäuser nicht die vorgegebene Mindestbreite und die Fluchtwege waren zu lang. Auch die für Feuerwehraufzüge geforderten brandgeschützten Vorräume mit direkter Anbindung an ein Stiegenhaus waren nicht gegeben.
Lösungskompetenz mittels Brandschutzkonzept
Wir reagierten mit einem Brandschutzkonzept auf die baulichen Gegebenheiten, um das geforderte Schutzniveau zu erreichen. „Dies ist ein zentraler Vorteil von Brandschutzkonzepten: Sie ermöglichen für den Bauherren maximale Nutzungsfreiheit sowie wirtschaftliche und ressourcenschonende Lösungen, selbst wenn von gültigen Normen und Richtlinien abgewichen werden muss. Durch smarte Ideen und geschickte Argumentation bringen sie selbst komplizierte Bauvorhaben oder – wie in diesem Fall – Bestandsgebäude mit behördlichen Anforderungen in Einklang“, erklärt Ing. Werner Hoyer-Weber. Das Brandschutzkonzept sah als Kompensation für die zu langen Fluchtwege druckbelüftete Schleusen vor. Diese verkürzen die Fluchtwegslänge und garantieren durch den erzeugten Überdruck, dass Rauch selbst bei offenen Türen nicht eindringen kann. Die Schleusen ermöglichen flüchtenden Personen somit zu jeder Zeit eine sichere Benützung. Der Feuerwehr bieten sie eine geschützte Direktanbindung an die Stiegenhäuser für rasche und wirkungsvolle Löscharbeiten.
Simulationen für ideale Entfluchtung
Zur Bemessung der Fluchtwegsbreiten in Bestandsgebäuden mit ober- bzw. unterirdischen Geschoßen und vertikalen Fluchtwegen, die in ein Geschoß mit dem Endausgang münden, gilt die 3-Geschoß-Regel: Als Berechnungsgrundlage sind die drei übereinander liegenden Geschoße heranzuziehen, deren Gesamtanzahl gleichzeitig Anwesender das höchste Ergebnis liefert. Da eine Nutzungsänderung vorlag – aus dem Finanzamt wurde ein Gerichtsgebäude – ergab sich durch die vorwiegend in den ersten drei Etagen untergebrachten Verhandlungssäle eine höhere Personenanzahl. Die gemäß OIB-Richtlinie geforderte Fluchtwegsbreite war nicht mehr vorhanden. Um den Vorgaben ohne massive bauliche Veränderungen zu entsprechen, investierten wir viel Zeit und Aufwand in ein Evakuierungskonzept. Dabei kamen Entfluchtungssimulationen mit modernen Ingenieurmethoden zum Einsatz. Diese erbrachten einen alternativen Lösungsansatz: eine Evakuierung, die aufgrund der gegebenen schmaleren Durchgangsbreiten zwar etwas länger dauert, durch Druckbelüftungsanlagen in den Treppenhäusern sowie zusätzliche druckbelüftete Bereiche aber zu jeder Zeit gewährleistet, dass Flüchtende auf sicherem Weg ins Freie gelangen.
Alle Parameter einbeziehen
Nachdem das simulierte Fluchtkonzept aufgrund der längeren Evakuierungsdauer für die Behörden noch keinen ausreichenden Nachweis des geforderten Sicherheitsniveaus erbrachte, adaptierten wir die Berechnung der zu erwartenden Vollbelegung: So sind während der Betriebszeiten zu keiner Zeit alle Gerichtssäle gleichzeitig mit Verhandlungen besetzt. Die maximal erwartete Personenanzahl im Gebäude wurde in Abstimmung mit der Behörde auf 1.300 reduziert und die Fluchtwegsbreiten auf diesen Parameter ausgerichtet. „Gerade im Spannungsfeld ‚Bestandsbau‘, wo die Einhaltung der aktuellen Richtlinien nicht immer möglich ist, müssen Planer und Behörden für Ingenieurmethoden eine gemeinsame Gesprächsbasis finden, um neue Parameter für Fluchtwege und -zeiten zu definieren. Denn sofern sich gefährdete Personen zu jeder Zeit in gesicherten Bereichen befinden, ist ein Gebäude nicht weniger sicher, nur weil die Evakuierung etwas länger dauert“, wünscht sich Hoyer-Weber für die Zukunft neue Optionen.
Präventives Maßnahmenpaket für maximale Sicherheit
Unsere Brandschutzplanung sieht im gesamten Gebäude automatische Brandmeldeanlagen vor, separate Feuerwehraufzüge bleiben auch im Anlassfall in Betrieb. In sämtlichen Fluchtstiegenhäusern wird eine Verrauchung zudem durch Druckbelüftungsanlagen verhindert. Eine Brandfallsteuermatrix stellt sicher, dass sämtliche technischen Einrichtungen wie Brandschutzklappen und -türen oder Lüftungsanlagen automatisch gesteuert werden und bei einem Brand koordiniert agieren. Durch eine Sicherheitsbeleuchtung bleibt selbst während eines Stromausfalls die Fluchtwegskennzeichnung und Mindestausleuchtung für drei Stunden gegeben. Wandhydranten und Nasssteigleitungen im Gebäude ermöglichen den Anwesenden Maßnahmen der ersten und erweiterten Löschhilfe. Den Einsatzkräften bieten sie Löschwasser zur direkten Entnahme. Zudem entsprechen alle neuen Brandschutztüren und bei der Sanierung verwendeten Materialien der neuen harmonisierten EU-Norm für Bauprodukte.
Bauaufsicht & Projektdokumentation
Abschließend übernahmen wir die Bauaufsicht. Ein Fokus bei der Beratung der ausführenden Firmen lag im Bereich der Abschottungen der Leitungsanlagen, die in brandlastfreie Bereiche geführt werden mussten. Bei bestehenden Bauteilen klärten wir Unsicherheiten in Bezug auf die Einstufung der brandschutztechnischen Klassifikation. „Qualität braucht Fachkompetenz am Bau, denn gerade in Bestandsbauten sind Brandschutzkonzepte kompliziert in der Ausführung. Es ist daher wichtig, den Brandschutzplaner an der Umsetzung zu beteiligen. Man ist bei der Abnahme vor bösen Überraschungen gefeit und Haftungsfragen durch baulich bedingte Mängel kommen gar nicht erst auf“, so Hoyer-Weber.
2012/2013, Österreich
Raster Ziviltechniker GmbH
Büros, Gerichtssäle
23.000m²